Montag, 14. Mai 2012

Ich liebe Fliegen

Es gibt etwas, das ich schon immer mochte. In den letzten Monaten habe ich aber angefangen, es zu lieben. Ich liebe Fliegen. Selbst negativste Ereignisse, wie eine 29-stündige Verspätung inklusive Umkehr in der Luft nach 2 Stunden Flug wegen technischem Defekt und anschließenden heftigsten Turbulenzen, die mich in die größte Angst meines Lebens versetzten, konnten mich nicht davon abbringen. Ich liebe Fliegen. Dabei gibt es gute Gründe, das Fliegen nicht zu lieben.


1. Fliegen ist nicht unbedingt P(olitical)C(orrect)
Fliegen fördert den Treibhauseffekt. Man geht davon aus, dass 2-4% des Treibhauseffekts durch den Flugverkehr entsteht. Das ist mir bewusst. Damit ich mich aber nicht mehr ganz so mies fühle, gibt es zum Glück Versuche, den hohen Energieverbrauch von Flugzeugen zu relativieren. Macht man seine Entscheidung pro/contra Fliegen vom CO2-Ausstoß abhängig, dann bewegt man sich zudem schnell auf dem Boden von Moral und Doppelmoral. So ist Autofahren auch klimaschädlicher als Bahn- oder gar Fahrradfahren, und trotzdem nutzt man das Auto auch auf Strecken, auf denen es Alternativen gäbe. Und der CO2-Ausstoß, für den man persönlich verantwortlich ist, ist bei einer Autofahrt zum Supermarkt sogar höher, als der, der bei einem Linienflug entsteht, da das Flugzeug auf jeden Fall fliegt, unabhängig ob man drin sitzt oder nicht (stark vereinfacht: natürlich kann der Kunde durch sein Verhalten das Angebot bestimmen und auch das höhere Fluggewicht hat einen Einfluss auf den Kerosinverbrauch). In der heutigen Zeit muss man vor allem mit Widersprüchen klarkommen. Ich denk, dass kann ich. Also liebe ich Fliegen, obwohl es klimaschädlich ist.

2. Fliegen ist gesundheitsschädlich
Damit meine ich nicht einmal die direkte Einwirkung auf den eigenen Körper, zum Beispiel die Trombosegefahr oder die erhöhte Radioaktivität, der man in großen Höhen angeblich ausgesetzt ist. Ich meine vor allem den Lärm. Natürlich nicht den Lärm im Flugzeug, sondern den am Boden. Ich lebe zum Glück nicht in der Anflugschneise des Frankfurter Flughafens, aber auch nicht weit davon entfernt. Bei offenem Fenster und ungünstigem Wind kann ich schon mal das dröhnende Rauschen eines abdrehenden Jumbos hören. Aber wenn ich mir vorstelle, wie es den Bewohnern in der unmittelbaren Einflugschneise gehen muss, die die Flieger nur wenige hundert Meter direkt über dem Haus haben, kann ich deren Wut und die nicht abebbenden Demonstrationen verstehen. Schlaf ist mir heilig, Schlafentzug wäre für mich die schlimmste Folter. Aber wie gesagt, ich wohne in sicherer Distanz und kann so ganz egoistisch die Annehmlichkeiten eines internationalen Drehkreuzes in akzeptabler Nähe nutzen.


3. Fliegen macht gläsern
Das Einsteigen in ein Flugzeug geht nur mit einem gültigen Pass. Möchte man seinen Aufenthaltsort möglichst geheim halten oder leidet unter Verfolgungswahn, dann ist das Reisen mit dem Flugzeug sicher nicht die beste Art, um seine Paranoia zu bekämpfen. Mich stört das weniger. Ich gehe sogar einen Schritt weiter und mache mich gläsern. Ich nehme an Bonusprogrammen teil, die abspeichern, wie viele Zahnbürsten ich wann und wo kaufe, welche Konzerte ich besuche oder von wem ich meine Elektronikartikel beziehe. Ich lasse mir sogar vorschreiben, wo ich meinen Tank befülle oder wann ich meinen Großeinkauf bei einer DrogerieMarkt-Kette mache – und wofür das alles: für Bonusmeilen! Dieses verdammte Meilensammeln macht verdammt süchtig – fragt mal George Clooney. Dessen Charakter Ryan Bingham ist im Film Up in the air das Meilensammeln sogar wichtiger als seine persönlichen Beziehungen. So krass bin ich nicht. Ich möchte auch nicht die 10 Millionen Meilen-Grenze durchbrechen. Mein Traum ist lediglich ein Freiflug. Ich weiß, die Bonusprogramme existieren eigentlich nur, um die Kundebindung zu erhöhen und noch mehr Informationen und Geld aus den Kunden zu pressen. Für Freiflüge in der Holzklasse lohnt es sich außerdem nicht wirklich, mit Meilen zu zahlen, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, das Gegenteil zu beweisen.

4. Fliegen kann nerven
Bei der Sicherheitskontrolle als einziger zur Extrakameradurchleuchtung rausgewunken, überhaupt die lächerliche Flüssigkeitsbeschränkung im Handgepäck, die schlechte Anbindung einiger Airports mit dem ÖPNV, die überteuerten Taxis vom Airport in die Stadt, die gar nicht so günstigen Duty-Free-Shops, die Flugzeugtoiletten (die ich bisher zum Glück noch kaum aufsuchen musste), zu wenig Essen, schreiende Kinder, undundund. Es gibt vieles, was mich beim Fliegen ziemlich nervt.

Trotzdem: ich liebe Fliegen. Und da ist die Organisation einer Weltreise kein Gegenmittel. Im Gegenteil. Seit ich mich mit der Planung der Reise beschäftige, wird es schlimmer. Mittlerweile interessiert mich alles, was mit Fliegen zu tun hat. Ich glaube, ich kenne nicht nur sämtliche Routen über die südlichen Ozeane, sondern weiß auch, wie es um die wirtschaftliche Lage der großen Fluggesellschaften bestellt ist. Ich kann stundenlang in einschlägigen Foren stöbern. Mich interessiert zum Beispiel, welches Vielfliegerprogramm einer Flugallianz bei gleichen Flügen die meisten Meilen einbringt, welcher Flughafen einen neuen Passagierrekord aufgestellt hat oder welche Airline wie viel Neubestellungen bei Airbus in Auftrag gegeben hat. Vor allem verbringe ich aber viel Zeit mit den Streckennetzen der Allianzen und Airlines und den Flugsuchmaschinen, um für jede noch so noch abwegige Route die ideale und günstigste Verbindung zu finden. Falls irgendein Mitarbeiter der Luftfahrtindustrie, vor allem aus dem Yield-Management, das hier jemals lesen sollte und zufällig eine gutbezahlte Stelle für einen unausgebildeten Quereinsteiger zu vergeben hat, ich wäre nicht abgeneigt ;-). Und weil ich mich nicht nur theoretisch mit dem Fliegen beschäftigen will, habe ich mein angelesenes Wissen um günstige Verbindungen in Kombination mit Gutscheinen und Promotionen angewendet, und mir dieses Jahr schon 3 Roundtrips gegönnt. Für 62 Euro war ich mit der Lufthansa in Bilbao, für 30 Euro geht’s nach Warschau. Und mit Air Berlin war ich in Berlin. Ich weiß, nicht PC, aber 30 Euro günstiger und 2 Stunden schneller als mit der Bahn.

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